Wie es ihm kurz vorm Tätowieren geht, erzählt Benjamin Kopf im Video.
Tattoostudios in Leipzig 2006
Tattoostudios in Leipzig 2016
Wie er beim Stechen eines Tattos vorgeht, erklärt Tätowierer Philip Rost im Video.
Wie wird man Tätowierer?
Der Beruf erfordert keine geregelte Ausbildung. Jeder kann das Gewerbe ausführen, wenn er das will. Die meisten lernen das Handwerk und die hygienischen Grundlagen in einem Tattoo-Studio. Vereinigungen von Tätowierern fordern schon lange, dass es einen einheitlichen Lehrberuf geben sollte. Immerhin ist der Beruf mit großen Verantwortung verbunden.
Warum gelten Tätowierte als kriminell?
1876 brachte der italienische Psychiater Cesare Lombroso das Buch „Der Verbrecher“ heraus. Darin erklärte er, anhand welcher Merkmale, zum Beispiel der Form von Ohren und Nase, man einen Verbrecher erkennen könne. Auch Tätowierungen waren seiner Ansicht nach ein Beweis für eine verbrecherische Persönlichkeit – einige Menschen denken das bis heute.
Welche Stellen er sich nicht tätowieren lassen will, beschreibt Benjamin Kopf im Video.
Die Ablehnung seiner Familie hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich pro Jahr ein weiteres Motiv stechen zu lassen. Seit er als Krankenpfleger am Leipziger Uniklinikum Geld verdient, nahm auch die Zahl der Tätowierungen zu.
„Tätowieren macht Spaß, man kann den ganzen Tag zeichnen.“
Richtig schief gegangen sei bei ihm noch nichts, betont Philip Rost. In den Anfangszeiten testete er die Nadel an sich selbst, übte an Wade und Oberschenkel, später an den Armen seiner Freunde. Mit 17 kam er als Praktikant in das Leipziger Tattoo-Studio, in dem er heute arbeitet. „Da hab ich festgestellt: Das macht Spaß, man kann den ganzen Tag zeichnen.“
In welche Hautschicht wird gestochen?
Die Farbpigmente müssen in die zweite Hautschicht, die so genannte Lederhaut gestochen werden. Unterhalb der Oberhaut (Epidermis) und der Unterhaut (Subcutis). Nur in dieser mittleren Hautschicht werden die Pigmente dauerhaft eingelagert. Sticht der Tätowierer zu tief, kann es sein, dass die Ränder der Linien verschwimmen, sticht er zu flach, ist es möglich, dass die Farbe wieder ausgeschieden wird.
Über die Tattoo-Trends der vergangenen Jahre spricht Philip Rost im Video.
Was bedeuten Ihre Tattoos? Eine Umfrage am Kulkwitzer See
„Mit einer Rose hat alles angefangen.“
Längst hat Nastassja van der Weyden dutzende weitere Tattoos, von verschiedenen Künstlern in verschiedenen Stilen. Besonders stolz ist sie auf die Porträts ihrer Eltern, die sie sich im Old School-Stil auf ihren Unterschenkel hat stechen lassen. “In meiner Familie ist niemand tätowiert und meine Eltern waren anfangs schon etwas skeptisch. Aber sie unterstützen mich. Und als sie das gesehen haben, waren sie sehr gerührt“, freut sich Nastassja und streicht sanft über ihre Haut, die sie stets vor zuviel Sonne schützt, damit die Farben nicht verblassen. „Ich sehe mich jeden Tag im Spiegel und gewöhne mich schnell an jedes neue Tattoo. Deshalb mag ich die aktuellsten neben den Porträts immer am liebsten“, erklärt sie und öffnet ihre Handfläche. Zum Vorschein kommt eine kleine Brezel, garniert mit bunten Punkten. „Ich liebe Brezeln. Wenn ich im Ausland bin, fehlen die mir am meisten“, sagt sie und lacht. Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Kommunikationswissenschaft und Anglistik in Greifswald zog es sie für eine Zeit nach Japan, dort arbeitete sie im Goethe-Institut in Tokio.
Im Video mit Nathalie Helene Rippich spricht Nastassja van der Weyden über ihre Tattoo-Leidenschaft.
Wie werden Tattoos im Ausland gesehen?
In vielen muslimischen Ländern ist es illegal, sich tätowieren zu lassen. Auch Ausländer können im Gefängnis landen. Im Nahen Osten oder in Nordafrika gilt: Lieber nicht zuviel tätowierte Haut zeigen. In Thailand darf man sich kein religiöses Tattoo stechen lassen, in Japan dürfen tätowierte Urlauber manchmal den Hotel-Pool nicht benutzen, in Sri Lanka ist es Ausländern verboten, sich buddhistische Motive stechen zu lassen. Interessant: Selbst in Dänemark ist das Tätowieren von Händen, Hals und Gesicht gesetzlich verboten.
Harness by Apatico ?? Ein von Nastassja van der Weyden (@nastivanderweyden) gepostetes Foto am
Chemnitz ist Hochburg - Tattoostudios in Sachsen und Thüringen
Leipzig
Leipzig hat heute 119 Tattoostudios.
Dresden
In Dresden sind aktuell 112 Tattoostudios gemeldet.
Chemnitz
Chemnitz ist die Tattoo-Hochburg in Sachsen – mit 205 Tattoostudios.
Erfurt
In Erfurt sind laut IHK derzeit 123 Tattoostudios registriert.
Ostthüringen
In Ostthüringen gibt es aktuell 81 Tätowierstuben.
Südthüringen
In Südthüringen sind 2016 laut IHK 40 Tattoostudios gemeldet.
"Tätowierte Menschen sind eher extrovertiert"
Dirk Hofmeister, Psychologe an der Universität Leipzig, erforscht die psychologischen Hintergründe von Körpermodifikationen wie Tattoos und Piercings. Seine Doktorarbeit schreibt der 43-Jährige zum Thema Fußballfans und Tatoos. Im Interview mit Tatjana Kulpa spricht er über die Gründe für ein Tattoo, welche Arten von Menschen sich tätowieren lassen und welche Rolle Schmerz beim Stechen spielt.Von Ötzi zu Stefan Kretzschmar - die Geschichte des Tattoos
Die Historie des Körperschmucks und berühmte Tätowierte, Quellen: Dirk Hofmeister, Fachpublikation "Tätowiermagazin Extra"Der Besucherraum in der Justizvollzugsanstalt Torgau ist schmucklos. Weiße Wände, vergitterte Fenster, in der Mitte ein Tisch und Stühle. Auf einem nimmt Sven B. Platz. Seinen vollen Namen will der 45-jährige Leipziger nicht nennen. Denn was er gleich erzählt, ist im Gefängnis eigentlich verboten. „Ich bin hier der Tätowierer“, sagt er zur Begrüßung.
„Ich versuche einen Weg zu finden, aber ich kriege es nicht hin.“
Nach der Wiedervereinigung fand Sven B. nicht mehr in die Gesellschaft zurück, eigentlich bis heute nicht. „Ich versuche einen Weg zu finden, aber ich kriege es nicht hin“, sagt der hagere Mann in dem blauen T-Shirt. Was er draußen nicht hinbekommt, gelingt ihm im Knast: Er bekommt Anerkennung. Denn wer im Gefängnis tätowieren kann, der wird von den anderen geachtet. B. schaute sich die Technik bei einem Mithäftling ab. Heute sagt er über sich, dass er einer der bekanntesten Tätowierer in Torgau sei, über die Jahre habe er sich einen Namen gemacht. Doch wer hinter Gittern tätowieren will, muss kreativ sein: Die Tätowiermaschinen baut B. aus CD-Playern oder Haarschneidemaschinen – mit Löffeln, Stiften und einer Stecknadel, die er aus der Näherei besorgt. Ein weiteres Problem: die Farbe. Früher stellte er sie selbst her, indem er Rasierer verbrannte und den Ruß mit Lösungsmitteln mischte. „Das verblasst aber nach einer Weile“, spricht der Häftling aus Erfahrung. Heute schmuggeln die Insassen richtige Tätowierfarbe ins Gefängnis.
„Viele hier haben Verlustängste.“
Häufig sind es Schriftzüge, die er sticht, solche, die die Häftlinge an ihre Familien erinnern oder Namen von Freundinnen. „Viele haben Verlustängste“, sagt B. „Andere wollen einfach dazugehören, weil hier fast alle tätowiert sind“, erklärt er. Und: Die meisten wollen Stärke ausstrahlen, lassen sich grimmig aussehende Teufel und Fratzen stechen. Die Motive sehen weniger filigran aus als solche, die professionelle Tätowierer stechen. Bedenkt man jedoch die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind, muss man sagen, dass sie dennoch recht sauber gestochen sind, zumindest die meisten.
Im Video-Interview erklärt Häftling Torsten, was man beim Tätowieren hinter Gittern beachten muss und was passiert, wenn man dabei erwischt wird.
2021 endet Torstens Haftstrafe. Er würde dann gern wieder arbeiten gehen, hat allerdings Zweifel, ob es klappt. Beim letzten Mal in Freiheit erklärte die Frau vom Arbeitsamt dem gelernten Fliesenleger, dass sie ihm keinen Job anbieten könne, erzählt er. Mit den vielen Tattoos sei er nicht vermittelbar.
Im Video erzählt Thomas Ritscher, wie die Häftlinge in den Neunzigern heimlich tätowiert haben – und welche Strafen er dafür schon kassierte.
Er selbst hat Zeichentusche in der Haut, aber viele verwendeten damals selbstgemachte Farbe, „vor allem Ruß ist oft rausgeeitert“. Über Entzündungen oder Allergien hat sich der Häftling nie Gedanken gemacht. „Hauptsache erstmal drauf.“ Im August geht Thomas Ritscher für sechs Monate in Therapie in eine Suchtklinik, der Rest seiner Strafe, die bis 2018 reicht, wird dann zur Bewährung ausgesetzt. Für die Zeit draußen hat er schon Pläne: Er will einige Tattoos ausbessern lassen – und sich neue stechen lassen.
„Ein Hakenkreuz auf dem Rücken ist kein Problem“
Der Leipziger Rechtsanwalt Tommy Kujus, 29, ist spezialisiert auf Strafrecht und vertritt immer wieder Mandanten, die Tätowierer verklagen. Der häufigste Fall: Minderjährige, bei denen die Eltern später herausfinden, dass sie sich ein Tattoo stechen ließen – und davon meist gar nicht begeistert sind.Im Video erklärt Dr. Wenzel, was beim Lasern genau passiert.
„Es wurden immer wieder fragwürdige Farbstoffe eingesetzt.“
Das Kernproblem ist: Der Hautarzt kann nur mutmaßen, woraus die Farbe besteht und wie gefährlich sie für die Gesundheit der Tätowierten ist. Am verträglichsten seien Kohlepartikel der alten Tätowierfarbe, die häufig bei DDR-Tattoos verwendet wurden, so der Dermatologe. „In der Vergangenheit wurden aber immer wieder fragwürdige Farbstoffe eingesetzt, die ein Schädigungspotenzial haben“, spricht Wenzel aus Erfahrung. Am schlimmsten sei es in Gefängnissen, wo einfach irgendwelche Substanzen in die Haut gestochen werden.
Was Julia Horvath anderen Tätowierten empfiehlt, verrät sie im Video.
Nur für Mutige: Do-it-Yourself-Tattoos
Im Stichgebiet, einem Tattoo-Studio in Leipzig-Lindenau, kann man seine Freunde selbst tätowieren. Paula Drope hat es ausprobiert und ihre Freundin Verena Ritter (beide 24) mit der Nadel bearbeitet. Ein Selbstversuch aus zwei Perspektiven.Christoph Pährisch und Merten Waage teilen als Mitbewohner in Leipzig nicht nur Küche und Bad, sondern auch eine spezielle Leidenschaft: Beide stehen auf Tätowierungen und haben ihre Körper zur Leinwand gemacht.
Im Video erklärt Christoph Pährisch, worauf es beim Tattoomodeln ankommt.
Geld verdienen kann er mit dem Job bisher nicht, im Gegenzug bekommen die Models Gutscheine für die Klamotten des Händlers und häufig die Fotos gratis. Pährisch würde das Modeln gern ausbauen. Doch professionell betreiben das in Deutschland nur ganz wenige, zum Beispiel das Tattoo-Model Victoria van Violence. Auf Instagram hat Pährisch dafür schon eine ordentliche Fangemeinde. 7500 Menschen folgen den Fotos, die er unter seinem Künstlernamen „xthecurtainfellx“ postet. Das neueste Werk neben dem Drachen auf dem Bein sind seine tätowierten Finger. Vor knapp drei Wochen ließ er sich verschiedene Ornamente dorthin stechen. Die Haut schält sich gerade ab. Sechs Wochen wird es dauern, bis sich die obere Hautschicht vollständig regeneriert hat, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand.
„Ich bin froh, wenn es nicht weh tut.“
Besonders unangenehme Stellen für Tattoos seien das Handgelenk, der Ellenbogen und die Achselhöhle. „Das ist so schmerzhaft, dass du denkst, jemand würde deinen Arm abziehen“, versucht Pährisch das Gefühl zu beschreiben. Anders als manch anderer Tattoo-Fan steht er nicht auf diese Art von Schmerz. „Ich bin froh, wenn es nicht weh tut.“
Woher kommt das Wort „Tattoo“?
Der Begriff Tattoo leitet sich vom polynesischen Wort „tatau“ ab, was das Geräusch beim Tätowieren mit den dort üblichen Werkzeugen widergibt. Auf einigen dieser Pazifikinseln heißt „ta“ so viel wie „schlagen“ und „tatau“ so viel wie „Zeichen oder Hautverzierung“. James Cook brachte den Begriff dann nach Europa – er hatte es auf seiner Reise nach Tahiti aufgeschnappt. Tätowieren war allerdings schon seit Jahrtausenden in Europa bekannt.
„Es war sehr unangenehm, wenn die Haut an den Ecken getrennt wurde.“
Ähnlich wie beim Tätowieren wird beim Cutten zunächst eine Schablone auf die Haut aufgebracht. Beim Schneiden gibt es zwei Varianten. Nummer eins, für die sich Juliane Kunze entschied: Der Tätowierer schneidet das Motiv mit einem Skalpell aus, kleine Hautstellen werden ausgestanzt – das alles erfolgt ohne Betäubung. Bei Variante zwei, dem Skin removal, werden ganze Hautflächen gezielt herausgeschnitten. Eineinhalb Stunden lang unterzog sich Kunze dieser Prozedur. Sie sagt: „Es war sehr unangenehm, wenn die Haut an den Ecken getrennt wurde.“ Andererseits sei ein Skalpell sehr scharf und sie habe unglaublich viel Adrenalin im Körper gespürt. Als unangenehm empfand sie nur das viele Blut, das aus der Wunde austrat. „Das war ein ekliges Gefühl.“
Was ist ein Branding?
Branding ist eine Form der Körpermodifikation, bei der eine erwünschte Brandnarbe entsteht. Wie auch Cuttings bieten sie nur wenige Tattoostudios an. Es gibt zwei Varianten: Beim „Strike Banding“ wird ein glühendes Stahlplättchen auf die Haut gedrückt – ähnlich wie bei einem Stempel. Beim „Cautery Branding“ wird die Haut durch Strom verödet. Dabei wird eine auf die Haut gezeichnete Schablone nachgezeichnet.
Was sind Augen-Tattoos?
Augen-Tätowierungen sind keine richtigen Tattoos. Dabei wird in der Regel schwarze Farbe in den Augapfel gespritzt. Um den sichtbaren Teil der weißen Augenhaut einzufärben, sind etwa 40 Stiche nötig. Tätowierer und Ärzte warnen jedoch: Das Ganze sei extrem riskant und kann schwere Schäden bis zur Blindheit nach sich ziehen. Die Farbe kann sich zum Beispiel unkontrolliert zwischen Bindehaut und Lederhaut verteilen.
Was sind UV-Tattoos?
UV-Farben sind wasserlösliche Farbstoffe, die von Kunststoffkügelchen umgeben sind. In Verbindung mit UV-Licht zersetzt sich die Farbe. Dadurch leuchtet das Tattoo. Das Gefährliche: Solche UV-aktiven Substanzen können die Haut reizen. Der Leipziger Tätowierer Philip Rost hält die Farbe für fragwürdig und zu riskant. „Mein gesunder Menschenverstand rät mir davon ab, so was zu stechen.“
Quellen: IHK Sachsen und Thüringen, Tätowiermagazin Extra, Museum an der Runden Ecke Leipzig, Repräsentative Befragung der Ruhr-Uni Bochum unter ca. 2.000 deutschsprachigen Männer und Frauen, 2014 Tattoo-Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, Befragung unter 1500 Personen ab 16 Jahren, 2014
Video-Interviews und Texte: Nathalie Helene Rippich, Tatjana Kulpa, Gina Apitz; Fotos und Videodreh: Dirk Knofe; Schnitt: Leipzig Fernsehen; Animation und Grafik: Patrick Moye; Konzept, Produktion: Gina Apitz